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Landesdelegierte diskutierten in Dortmund

Es ist eine Zeit der Unruhe und Umbrüche. Ukraine-Krieg, Energiekrise, steigende Kosten, stockende Digitalisierungsbestrebungen, Versorgungsengpässe – bei der Landesdelegiertenversammlung des Hausärzteverbandes Westfalen-Lippe am 24. September im Hotel Wittekindshof in Dortmund wurde deutlich, dass die Fragen, Sorgen und Herausforderungen, die aktuell gesamtgesellschaftlich diskutiert werden, auch die Hausarztpraxen direkt beeinflussen.

Umsatzverluste, fehlender Inflationsausgleich, steigende Gesamtkosten in den Praxen – in ihrem Bericht zur Lage umriss Anke Richter-Scheer, 1. Vorsitzende des Landesverbandes, die image00008Die Landesdelegiertenversammlung fand im Hotel Wittekindshof in Dortmund statt. (Foto: Hausärzteverband Westfalen-Lippe) finanzielle Tendenz, mit der sich viele Kolleginnen und Kollegen konfrontiert sehen. „Wenn wir die Versorgung unserer Patienten sichern sollen und wollen, benötigen wir entsprechende Rahmenbedingungen“, so Richter-Scheer. Die Planung flächendeckender Gesundheitskioske, wie aktuell von der Politik ins Spiel gebracht, gehe in die falsche Richtung. „Sie mögen in sozial schwachen Gebieten mit einem niedrigschwelligen Angebot zur Versorgung von Patienten mit besonderem Unterstützungsbedarf eine Entlastung darstellen, aber es darf nicht sein, dass ohne Maß Parallelstrukturen aufgebaut werden“, betonte Anke Richter-Scheer. „Gesundheitskioske sind sehr teuer, binden medizinisches Fachpersonal, sollen einen Teil der hausärztlichen Tätigkeiten übernehmen und eng mit Gesundheitsämtern und öffentlichem Gesundheitsdienst zusammenarbeiten. Hier werden uns nicht nur unser Personal und unserer Tätigkeiten genommen, sondern auch unsere Einflussmöglichkeiten. Und die Führung des kranken Patienten wird so letztlich noch schwieriger.“


„Politik stellt die Systemfrage!“


Auch Dr. Volker Schrage, Delegierter aus Legden und stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) warnte vor weitreichenden Konsequenzen derartiger Ideen: „Hier wird die Systemfrage gestellt, weil durch die Politik immer wieder an unserem Fundament genagt wird!“

Ein großes Ärgernis, das bundesweit für Proteste der Ärzteschaft gesorgt hat, ist das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz und die Aufhebung der Neupatientenregelung. „Die Streichung der extrabudgetären Leistungen für Neupatienten und der offenen Sprechstunde betrifft auch uns Hausärzte, finanziell und in der Vermittlung unserer Patienten“, betonte
Anke Richter-Scheer. Termine müssten um Wochen nach hinten verschoben werden, zeitraubende Telefonate nähmen zu.

„Glücklich kann sich da der Hausarzt schätzen, der die HZV lebt. Denn nach wie vor besteht mit den Verträgen der Hausarztzentrierten Versorgung eine fairere Vergütung und mit Blick auf die Vertragsstruktur auch das modernere System“, so Anke Richter-Scheer. Um die Weiterentwicklung der HZV in Zukunft noch effektiver und einfacher umsetzen zu können, wurde auf Bundesebene die Gründung eines HZV-Vertragsausschusses beschlossen, in dem jeder Landesverband beteiligt ist. Für Westfalen-Lippe sind Dr. Jens Grothues vom geschäftsführenden Vorstand des Landesverbandes und Claudia Diermann, Geschäftsführerin der Hausärztlichen Service- und Wirtschaftsgesellschaft mbH Westfalen-Lippe (HSW mbH WL) vertreten.


eRezept: Erprobungsphase mit Hindernissen


Alles andere als einfach läuft derzeit die Digitalisierung in den Hausarztpraxen. Das „Dilemma mit den Konnektoren“ sei nicht geklärt. Die eAU funktioniere noch längst nicht bei allen. Und zur Einführung des eRezeptes startete im September ein Pilotprojekt der KVWL, mit 200 Praxen, die sich freiwillig gemeldet hatten. „Dass die KVWL sich bereits erklärt hat, dieses Projekt zu begleiten, haben wir von Anfang an unterstützt“, so Anke Richter-Scheer. Es sei wichtig, dass vor einem flächendeckenden Start das eRezept zunächst in bestimmten Regionen erprobt werde und die Erfahrungen der Ärztinnen und Ärzte mit einfließen könnten. „Die Implementierung in den Praxen soll gut funktionieren und den Praxen nicht vor die Füße geworfen werden“, unterstrich Dr. Volker Schrage, der aus Sicht der KVWL vom bisherigen Verlauf berichtete.

Die Erfahrung der Delegierten zeigte, wie sinnvoll eine solche Erprobung erscheint, denn zu Beginn holpert es noch an vielen Stellen. „Die Signatur eines eRezepts dauert in der Praxis bis zu 40 Sekunden, bei einem normalen Rezept sind es nur acht Sekunden“, berichtete Dr. Jens Grothues aus Beverungen. „Das macht einen enormen Unterschied, bei 300 Rezepten an einem regulären Montagmorgen“, unterstrich auch Dr. Laura Dalhaus aus Borken. „So, wie es jetzt läuft, geht es nicht!“ Für Lars Rettstadt, Sprecher der Delegiertenversammlung aus Dortmund, ein Treppenwitz: „Man will ein eRezept ausstellen – und druckt dann den QR-Code aus!“ Dr. Philipp Lettau aus Altenberge brachte den Unmut vieler Kollegen auf den Punkt: „Das eRezept ist nicht ausgegoren. Ich fühle mich wie eine Rakete auf dem Weg zum Mond und im Flug wird noch am Antrieb gebastelt!“


Erfolgreiche Mitgliederentwicklung


Den richtigen Schub hat der Hausärzteverband Westfalen-Lippe hingegen in puncto Mitgliederentwicklung: „Auch in turbulenten Zeiten ist es uns gelungen, in allen drei Bezirken neue Mitglieder zu gewinnen“, freute sich Anke Richter-Scheer. „Das zeigt uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind.“ Die Gruppe der angestellten Ärzte gewinne dabei an Bedeutung. Auch die Gruppe der zukünftigen Ärztinnen und Ärzte wachse. „Ein Zeichen, dass unsere Nachwuchsarbeit Früchte trägt“, so Anke Richter-Scheer. Zudem zeige sich ein steigender Anteil an Frauen und eine Verschiebung im Verteilungsmuster zwischen Allgemeinmedizinern und hausärztlichen Internisten: „Von den praktizierenden Mitgliedern kommen auf zwei Allgemeinmediziner fast ein Internist. Auch unter den Neumitgliedern sind die hausärztlichen Internisten zunehmend vertreten“, so Richter-Scheer.

Genau aus diesem Grund sieht die Landesverbandsvorsitzende dringenden Handlungsbedarf bei der Weiterbildungsbefugnis Allgemeinmedizin. „Um die Sicherstellung der Primärversorgung in den nächsten Jahren aufrecht zu erhalten, benötigen wir mehr Weiterbildungsärzte. Unser Problem ist aber die Weiterbildungsbefugnis Allgemeinmedizin, die trotz des kompetenzbasierten Ansatzes dem hausärztlichen Internisten maximal zwölf Monate Weiterbildungsbefugnis anerkennt.“ Vor den Hintergrund, dass es Gebiete in Westfalen-Lippe gebe, die überwiegend durch hausärztliche Internisten besetzt seien, müsse man im Sinne der Nachwuchssicherung schnell reagieren. „Einen Weiterbildungsassistenten nur für ein Jahr einzustellen, ist für alle Betroffenen nicht zielführend“, so Richter-Scheer.

Über einen Antrag des Bezirksverbandes Westfalen-Süd, der sich dafür aussprach, die Weiterbildungsbefugnis für hausärztliche Internistinnen und Internisten weiterhin auf maximal ein Jahr zu beschränken, schloss sich eine intensive Diskussion unter den Delegierten an. Das Thema soll im Rahmen einer Sonder-Delegiertenversammlung nochmals behandelt werden.