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Dr. Sven Windhorst: „Die Allgemeinmedizin hat ein hohes Potenzial“ 

Derzeit fordern viele Hausärztinnen und Hausärzte Reformen. Auch Dr. Sven Windhorst, will nicht nur kritisieren, sondern reformieren. Daher engagiert sich der 36-jährige Arzt in Weiterbildung aus Vlotho und Klinischer Notfallmediziner im Klinikum Herford, nebenbei auch noch politisch – sowohl im Verband als auch in seinem Heimatort

Windhorst Sven DrjpgDie Sicht auf die Hausarztmedizin hat sich im Laufe der Jahre gewandelt. Der Beruf ist für viele attraktiver geworden. Dennoch sind viele Hausärztinnen und Hausärzte aktuell frustriert aufgrund des Versorgungsdrucks und der hohen bürokratischen Hürden. Sie haben sich erst gerade für die Hausarztmedizin entschieden. Was löst das in Ihnen aus?

Die Entscheidung für die Hausarztmedizin war für mich der nächste Schritt in meiner Laufbahn, was nicht bedeutet, dass es auch der letzte Schritt sein muss. Das ist auf eine Art und Weise befreiend. Der Beruf ist immer noch absolut attraktiv, wenn man ihn auf die tägliche Arbeit herunterbricht. Störend sind Drei- und Vierfach-Dokumentationen, die keinen Nutzen für Arzt oder Patienten haben. 

„Ich gucke optimistisch in die Zukunft!“

Ich gucke optimistisch in die Zukunft, aber größere Investitionen würde ich in der aktuellen Situation nicht machen. Auch als Hausarzt wird in meinen Augen eine Vernetzung mit anderen Berufsgruppen, darunter Physiotherapeuten oder Apotheker, immer wichtiger. Dann kann man sich zusammenschließen und gemeinsam an Lösungsvorschlägen arbeiten, anstatt alles nur zu kritisieren. Mir ist es wichtig, zu kommunizieren, was gerade nicht gut läuft, damit auch die Bevölkerung sich eine Vorstellung davon machen kann. Damit sich Dinge verändern können, braucht man Unterstützung.  

Das ist sicher auch einer der Gründe, warum Sie sich sowohl in der Lokal- als auch in der Berufspolitik engagieren.
Der Hauptgrund ist für mich, hier im Kreis langfristig medizinische Versorgung sicherzustellen. Ich will später kein Einzelkämpfer sein müssen. Ich kann nicht nachvollziehen, warum es überhaupt Nachwuchsprobleme gibt. Die Bedingungen sind attraktiv: Lebensqualität, Verdienst, und Lebenshaltungskosten passen. Ich verstehe nicht, warum das nicht mehr Kolleginnen und Kollegen in Betracht ziehen. 

Ihre Eltern sind Hausärzte in Vlotho. Sie arbeiten seit zwei Jahren in der Praxis. Hat es Sie deswegen wieder in die Heimat gezogen?
Dr. Sven Windhorst:
Früher konnte ich mir nicht vorstellen, wieder zurückzukommen. Das hat sich aber im Laufe der Jahre geändert und ich habe immer mehr damit geliebäugelt. Dann hat es sich ergeben, dass ich eine 50 Prozent-Stelle als Funktionsoberarzt in der Notaufnahme im Klinikum Herford bekommen habe und die andere Hälfte in der hausärztlichen Praxis meiner Eltern arbeiten und dort in die Hausarztmedizin reinschnuppern konnte. Hätte ich länger mit dieser Entscheidung gewartet, wären meine Eltern vielleicht schon im Ruhestand gewesen. Mit meiner Rückkehr hat lange Zeit niemand mehr gerechnet.

Stand jetzt ist dann geplant, dass Sie die Praxis Ihrer Eltern übernehmen?
Derzeit arbeiten meine Eltern noch Vollzeit in der Praxis, aber geplant ist, dass ich 2024 meinen Facharzt für Allgemeinmedizin mache. Dann steige ich erst einmal als Partner ein und wir führen die Praxis zu dritt. 

War es bei Ihrem Familienhintergrund von vornherein klar, dass Sie Arzt werden?
Zur Medizin hat man als Ärztekind eher kein indifferentes Verhältnis. Entweder man sagt: Auf gar keinen Fall! Oder: Ich kann mir nichts anderes vorstellen. Bei mir war es Letzteres. Druck gab es allerdings nie.

Hausarztmedizin war lange Zeit auch kein Thema für Sie, oder?
Ne, überhaupt nicht. 

Zurzeit arbeiten Sie in der Klinik und in einer Hausarztpraxis. Das sind zwei Extreme. Was hat den Ausschlag für die Hausarztmedizin gegeben?
Ich finde es unheimlich angenehm, dass man Patientinnen und Patienten wiedersieht und auch Fortschritte beobachten kann. Man kennt bestenfalls das Umfeld, weil man meist mehrere Familienmitglieder behandelt. Die Patientinnen und Patienten sind in der Praxis in der Regel dankbarer und drücken das auch aus. Als Arzt freut es einen schon, wenn einem so viel Wertschätzung entgegengebracht wird.

Als Hausarzt habe ich die letzte Verantwortung für die Patienten. Die Primardiagnostik sehe ich als eine sehr wichtige Aufgabe. Im Krankenhaus wird prozessorientiert gearbeitet und Verantwortlichkeit damit oft verschoben. Hausärzte können ihre Verantwortung nicht abgeben. 

Trotz großer Eigenverantwortung müssen Sie Patientinnen und Patienten manchmal an Fachärztinnen und Fachärzte oder ins Krankenhaus überweisen. Fällt Ihnen das schwer?
Nein, ich kann gut abgeben. Das Schöne derzeit ist, dass ich mich ja derzeit noch in beiden Welten bewege und diese kurzen Wege nutzen kann. 

Wenn Ihre Eltern in den Ruhestand gehen, möchten Sie die Praxis dann allein weiterführen?
Auf gar keinen Fall. Meine Schwester braucht allerdings noch einige Jahre, bis sie so weit wäre. So lange werden meine Eltern nicht mehr in der Praxis bleiben.
Meine Idealvorstellung wäre, die Praxis mit mehreren Leuten zu führen, und auch ein Schichtsystem einzuführen. Derzeit sind die Räumlichkeiten für drei Ärzte in Vollzeit hier begrenzt.  

Ihre Schwester will auch in die Hausarztmedizin gehen?
Das ist noch nicht klar. Sie ist gelernte Krankenschwester und hat danach auch in der Praxis gearbeitet und die VERAH Ausbildung gemacht. Aktuell studiert sie noch.  

Dann würden die Geschwister Windhorst die Praxis der Eltern weiterführen?
Bislang ist so der Plan. Man muss dann sehen, wie es in der Realität funktioniert. Ich denke, dass Ehepaar-geführte Praxen das geringste Konfliktpotential haben. Früher hätte ich das beispielsweise nicht geglaubt. Aber auch in einer gemeinsamen Praxis sieht man sich nur sehr selten. Es gibt keine gemeinsame Pause, man trifft sich vielleicht mal in der Küche. Das hat auch Vorteile, zum Beispiel bei der Kinderbetreuung.
Auch meine Eltern haben sich ursprünglich nicht vorstellen können, allgemeinmedizinisch zu arbeiten. Meine Mutter war wie ich vorher in der Chirurgie. Das war vor 30 Jahren noch familienunfreundlicher als heute. Mein Vater war Oberarzt in der Anästhesie.  

Wie war das früher bei Ihnen, als Sie noch zuhause gewohnt haben? Haben Sie am Esstisch nur über medizinische Themen gesprochen?
Nein, eigentlich wenig. Ich bin mit dem Zivildienst erst enger mit der Medizin in Berührung gekommen. Meine Eltern haben oft lang gearbeitet, aber dann die Arbeit auch Arbeit sein gelassen.

Sie sind Arzt und engagieren sich nebenberuflich noch. Bleibt da noch Zeit für Familie und Hobbies?
Aktuell habe ich noch keine Kinder und daher mehr Zeit. Und das Engagement im politischen Bereich macht mir Spaß, weil man sich mit spannenden Leuten austauschen kann. Das geht auch, weil mir meine Eltern den Rücken freihalten.

„Durch meine erste Station in der Chirurgie weiß ich, wie wichtig ein Mentor sein kann.“

Und auch in der Nachwuchsinitiative Allgemeinmedizin sind Sie als Referent tätig. Was ist da Ihre Motivation?
Durch meine erste Station in der Chirurgie weiß ich, wie wichtig ein Mentor sein kann. Ich glaube, ich kann Leute ganz gut motivieren. Auch da habe ich den Hintergedanken, dass ich nicht irgendwann als Einzelkämpfer dastehen will. Die Allgemeinmedizin hat ein hohes Potenzial. Ich sehe keine Nachwuchsprobleme, weil die Arbeit in der Allgemeinmedizin so viel positivere Aspekte als die Arbeit im Krankenhaus mit sich bringt. Ich will die Nachwuchsmediziner dazu animieren, die Hausarztmedizin einmal auszuprobieren.

Ich bin allerdings kein Befürworter davon, noch mehr Allgemeinmedizin im Studium verpflichtend zu machen. Da setze ich auf Freiwilligkeit. Die Nachwuchsinitiative Allgemeinmedizin ist ja auch eine freiwillige Veranstaltung. Das ist für die Referentinnen und Referenten natürlich viel angenehmer, weil man weiß, die Teilnehmenden interessiert das Thema wirklich. Das Format ist so schön, weil man zum einen den Sprechpart, aber zum anderen auch so viel Zeit zum Austausch hat. Auch dort trifft man immer wieder sehr interessante Persönlichkeiten und das gibt einem auch persönlich immer neue Denkanstöße.

Interview: Simone Zettier

Dr. Sven Windhorst

  • Arzt in Weiterbildung aus Vlotho
  • Facharzt für Allgemeinchirurgie
  • Macht 2024 seinen Facharzt in der Allgemeinmedizin
  • Arbeitet 50 Prozent als Oberarzt in der Zentralen Notaufnahme im Klink und seit zwei Jahren 50 Prozent in der elterlichen Praxis in Vlotho
  • Medizinstudium von 2007 bis 2014 inklusive Promotionen und Stationen in Frankfurt, Freiburg, Padua, Berlin und Namibia
  • Engagiert in der Berufs- und Lokalpolitik
  • Referent der Nachwuchsinitiative Allgemeinmedizin