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Hausarzt werden

Spannung. Anerkennung. Vertrauen.

Video-Interview Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin

  • Einleitungstext:

    Gute Gründe für die Allgemeinmedizin: Im Video Interview mit der Stadt Brilon zum Projekt „KommaufsLand.Arzt!“ erzählt Weiterbildungsassistent Dr. Dr. Michael Bloch, warum er schon immer Arzt werden wollte, warum er die Fachrichtung Allgemeinmedizin gewählt hat und was er angehenden Allgemeinmedizinern raten würde.

Video-Interview Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin

Gute Gründe für die Allgemeinmedizin: Im Video Interview mit der Stadt Brilon zum Projekt „KommaufsLand.Arzt!“ erzählt Weiterbildungsassistent Dr. Dr. Michael Bloch (†), warum er schon immer Arzt werden wollte, warum er die Fachrichtung Allgemeinmedizin gewählt hat und was er angehenden Allgemeinmedizinern raten würde.

Zudem kommt Claudia Diermann, Geschäftsführerin des Hausärzteverbandes Westfalen-Lippe, zu Wort, und berichtet über die Aufgaben und Tätigkeiten Unterstützung und Begleitung des Hausärzteverbandes Westfalen-Lippe von Nachwuchsmedizinern und Hausärzten, die einen Nachfolger für ihre Praxis suchen.

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„Weiterbildung der Weiterbilder sollte Pflicht werden“

  • Einleitungstext:

    Das Thema Weiterbildung liegt Dr. Regina Beverungen aus Lüchtringen bei Höxter am Herzen. Ihre Praxis ist seit 2009 Lehrpraxis der Uni Göttingen und der Uni Bochum. Mit Dr. Maike Stein hatte sie 2014 ihre erste Ärztin in Weiterbildung in der Praxis, die mittlerweile als Hausärztin bei ihr arbeitet. Sie selbst bildet sich auch regelmäßig fort und würde sich wünschen, dass dies verpflichtend wird. 

„Weiterbildung der Weiterbilder sollte Pflicht werden“

Das Thema Weiterbildung liegt Dr. Regina Beverungen aus Lüchtringen bei Höxter am Herzen. Ihre Praxis ist seit 2009 Lehrpraxis der Uni Göttingen und der Uni Bochum. Mit Dr. Maike Stein hatte sie 2014 ihre erste Ärztin in Weiterbildung in der Praxis, die mittlerweile als Hausärztin bei ihr arbeitet. Sie selbst bildet sich auch regelmäßig fort und würde sich wünschen, dass dies verpflichtend wird.

Frau Dr. Beverungen, Sie haben sich der Weiterbildung verschrieben und haben auch den Kodex Ambulante Weiterbildung unterzeichnet. Mit einer Registrierung verpflichten sich weiterbildende Hausärztinnen und Hausärzte freiwillig, Ärztinnen und Ärzten in Weiterbildung eine sichere wirtschaftliche Grundlage und eine strukturierte Weiterbildung zu bieten. Warum ist Ihnen das Thema Weiterbildung und auch der Kodex Ambulante Weiterbildung so wichtig?
Die Verpflichtung zu unterschreiben war mir wichtig. Die Qualitätsstandards des Kodex sind entscheidend für eine gute Weiterbildung. Eigentlich sollten die Punkte wie gute Bezahlung, regelmäßige Weiterbildungsgespräche oder Leitlinienorientierung selbstverständlich sein, sind sie aber anscheinend noch nicht. Aber das wird kommen, da bin ich mir sicher. Der Nachwuchs wird das auch einfordern. Die Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung (AIW) – ich hatte meine erste AIW im Jahr 2014 – wissen schon, was sie wert sind.

In dem Punkt hat sich in den vergangenen Jahren einiges geändert. Auch die Work-Life-Balance ist für die Nachwuchsmediziner von heute ein wichtiges Kriterium.
Gerade bei den Arbeitszeiten sind wir anders kultiviert worden. Aber das ist jetzt so und ich finde es auch gut und richtig. Noch wichtiger als den Kodex halte ich allerdings die Weiterbildung der Weiterbilder. Ich bilde mich regelmäßig bei den „Train the Trainer“-Seminaren des Kompetenzzentrums Weiterbildung Allgemeinmedizin Westfalen-Lippe fort und erfahre dann dort, ob ich auf dem neuesten Stand bin. Das sollte für alle Weiterbilder Pflicht werden. Dafür werde ich kämpfen.

Was hat sich im Bereich der Weiterbildung in den vergangenen Jahren geändert?
Das Thema ,qualifiziertes Feedback geben` spielt heute eine viel größere Rolle.  Ich selbst musste das üben. Denn früher hatte ich die Einstellung: Was gut ist, muss ich doch nicht loben. Aber die Grundstruktur, qualifiziertes Feedback geben zu können, bringe ich natürlich mit und meine Mitarbeiter profitieren auch davon. Rückmeldungen sind notwendig. Manchmal reicht ja auch schon ein kurzes Feedback in Form von einem Lob oder auch Kritik. Es muss ja nicht immer ein langes Gespräch sein. Früher war es dagegen selbstverständlich, dass man sich gewisse Dinge selbst erarbeitet. Ich hätte mir zum Anfang meiner Karriere Anfang der 90er-Jahre mehr qualifiziertes Feedback gewünscht.

Haben sich auch die Nachwuchsmediziner verändert?
Die jungen Leute bringen heutzutage deutlich mehr Fähigkeiten mit, was Sprache und Kommunikation mit dem Patienten angeht. Von den Studierenden, PJlern oder AIW, die zu mir kommen, kann ich auf diesem Gebiet eine Menge lernen. Wir sind seit 2009 Lehrpraxis und man merkt deutlich, dass die Studierenden im Bereich Kommunikationsfähigkeit fitter werden. In der Uni Göttingen ist dies seit ein paar Jahren auch Teil des Lehrplans.

Sie sind Lehrpraxis der Uni Göttingen und auch der Uni Bochum sowie Teil des Weiterbildungsverbundes Höxter, den Hausärzte, Krankenhäuser, die Ärztekammer Westfalen-Lippe und der Kreis Höxter 2018 gegründet haben. Ziel ist es Studienabsolventen, weiter zu helfen, welche die Approbation in der Tasche haben und Hausarzt werden wollen.  
Ich finde, das ist eine tolle Sache. Haupttreiber war damals der Kreis Höxter und wir stehen als Ansprechpartner zur Verfügung. Wir wollen damit vor allem Studienabsolventen ansprechen, die ursprünglich aus der Region kommen und ihnen die Rückkehr schmackhaft machen.

Sie selbst mussten gar nicht zur Rückkehr überredet werden. Sie kommen aus Lüchtringen, einem 3000-Seelen-Ort, der zu Höxter gehört, und haben sich damals entschieden, auch Ihre Praxis dort zu eröffnen. Was schätzen Sie am Landarzt-Dasein.
Die hohe Bindung, die man zu den Patienten hat, schätze ich sehr. Der Patient kommt einmal zu mir und bleibt dann auch in meiner Praxis. Hier gibt es dieses Doctor Hopping wie in den Städten nicht.

Dr. Regina Beverungen ist Fachärztin für Allgemeinmedizin und hat eine Hausarztpraxis in der Gemeinde Lüchtringen kurz vor der niedersächsischen Grenze. Sie ist Lehrbeauftragte am Institut für Allgemeinmedizin an der Universitätsmedizin Göttingen, wo sie auch studiert hat. Ihre Praxis ist Lehrpraxis der Uni Göttingen sowie der Uni Bochum.

Dr. Regina Beverungen ist Mit-Gründerin des Weiterbildungsverbunds Höxter und leitet in Höxter einen Pharmakotherapie-Qualitätszirkel (PTQZ). 

 

Kodex Ambulante Weiterbildung:
Qualitätsstandards für Weiterbilder und Ärzt*innen in Weiterbildung

Der Deutsche Hausärzteverband hat mit dem "Kodex für die freiwillige Selbstverpflichtung zur Einhaltung von Qualitätsstandards für weiterbildende Praxen im ambulanten hausärztlichen Bereich (QahB)" einen bundeseinheitlichen Kriterienkatalog erstellt, um die allgemeinmedizinische Weiterbildung im ambulanten Bereich stärker zu strukturieren.  

Mit einer Registrierung verpflichten sich weiterbildende Hausärztinnen und Hausärzte freiwillig, Ärztinnen und Ärzten in Weiterbildung eine sichere wirtschaftliche Grundlage und eine strukturierte Weiterbildung zu bieten. Dies beinhaltet beispielsweise folgende Punkte: 

  • ein Gehalt in Anlehnung an den jeweils gültigen Tarif für kommunale Häuser
  • 30 Urlaubstage pro Jahr
  • 5 Fortbildungstage pro Jahr
  • regelmäßige Weiterbildungsgespräche
  • Leitlinienorientierung  

Der KODEX sorgt für mehr Transparenz in der ärztlichen Weiterbildung und bietet gleichzeitig Ärztinnen und Ärzten in Weiterbildung und weiterbildenden Hausärztinnen und Hausärzten eine klare Orientierung

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„Die Allgemeinmedizin bietet heute sehr attraktive Arbeitsmodelle“

  • Einleitungstext:

    Eine gute Work-Life-Balance ist heutzutage auch als Hausarzt möglich. Dr. Moritz Paar (Bild) ist ein gutes Beispiel dafür, wie man den Job als Hausarzt und die Zeit mit der Familie heutzutage in Einklang bringen kann. Er ist als Hausarzt in Teilzeit in Ahaus tätig. Beim Kompetenzzentrum Weiterbildung Allgemeinmedizin Westfalen-Lippe ist er mitverantwortlich für die Entwicklung und Organisation des Seminarprogramms, in den Werkzeugkasten Niederlassung-Modulen gibt er sein Wissen als Referent an junge Kolleg*innen weiter. Die beiden letztgenannten Tätigkeiten erledigt der junge Vater meist aus dem Homeoffice.

„Die Allgemeinmedizin bietet heute sehr attraktive Arbeitsmodelle“

Eine gute Work-Life-Balance ist heutzutage auch als Hausarzt möglich. Dr. Moritz Paar (Bild) ist ein gutes Beispiel dafür, wie man den Job als Hausarzt und die Zeit mit der Familie heutzutage in Einklang bringen kann. Er ist als Hausarzt in Teilzeit in Ahaus tätig. Beim Kompetenzzentrum Weiterbildung Allgemeinmedizin Westfalen-Lippe ist er mitverantwortlich für die Entwicklung und Organisation des Seminarprogramms, in den Werkzeugkasten Niederlassung-Modulen gibt er sein Wissen als Referent an junge Kolleg*innen weiter. Die beiden letztgenannten Tätigkeiten erledigt der junge Vater meist aus dem Homeoffice.

Vielen Nachwuchsmedizinern ist gerade die Work-Life-Balance sehr wichtig. Sie selbst scheinen ja eine gute Regelung gefunden zu haben.
Work-Life-Balance funktioniert nur, wenn man an den einzelnen Reglern spielt und diese in eine Balance bringt. Man wird es niemals hinbekommen, wenn man in allen Punkten das Maximale herausholen will. Wenn man rund um die Uhr für seine Patient*innen da sein will, muss man Abstriche bei der Familie machen. Wenn man weniger arbeiten möchte, um mehr Zeit mit der Familie verbringen zu können, kann man eben nicht immer vor Ort sein. Dann ist es auch schwieriger selbst als Unternehmer*in in einer Hausarztpraxis tätig zu sein  – es sei denn, man hat viele gute angestellte Ärzt*innen.

Mir wurde relativ schnell klar, dass die Arbeitsbelastung bei einer Vollzeitstelle in Verbindung mit der Weiterbildung von jungen Kollegen und dem Engagement im Berufsverband zu Lasten der Familie geht. Daher war zunächst eine  Vollzeitstelle in der Praxis für mich nicht denkbar. Ich habe mich dann dazu entschieden, ein bisschen weniger Zeit in der Praxis zu verbringen und dafür auch in anderen Bereichen aktiv zu sein, weil sich dort die Zeit besser einteilen lässt.

War das für Sie schwierig, diese Entscheidung so zu treffen? Oder war das Ganze auch ein Lernprozess für Sie?
Es ist ganz sicher ein Prozess und das hängt  auch damit zusammen, dass an meine Generation ganz  andere Anforderungen gestellt werden als an die Generationen vor mir.

Meine Frau ist ebenfalls Ärztin und möchte den Beruf weiter ausüben. Daher versuchen wir uns die Verantwortung zu teilen – so fair es geht.

Wann war es für Sie klar, dass es die Allgemeinmedizin werden soll?
Dr. Moritz Paar:
 Ich habe mich während meines Medizinstudiums damit beschäftigt, in welche Fachrichtung es für mich gehen soll. Meine erste Famulatur habe ich nach dem fünften Semester bei meinem Hausarzt in Bonn absolviert. Das hat mir sehr gut gefallen.

Ich fand allerdings im Studium einige andere Fachrichtungen zunächst spannender und habe anfangs in der Chirurgie gearbeitet, auf einer Station für Unfall- und Allgemein-Chirurgie. Das hat mir sehr viel Spaß gemacht, dennoch habe ich mir nach drei Monaten die Frage gestellt, wie eine langfristige Perspektive dort aussähe. An der Allgemeinmedizin hat mir gefallen, dass man sich dort sehr breit aufstellen kann und sollte.

In meiner Weiterbildung für manuelle Medizin und Chirotherapie habe ich meinen jetzigen Chef kennengelernt und bin über ihn in Kontakt mit dem Hausärzteverband Westfalen-Lippe und dem Kompetenzzentrum Weiterbildung Westfalen-Lippe gekommen.  

Hatten Sie nicht auch Lust in die Forschung zu gehen – schließlich ist Ihre Doktorarbeit 2016 mit dem Promotionspreis der Medizinischen Fakultät der WWU ausgezeichnet worden.
Doch, ich habe auch in den vergangenen beiden Jahren neben meiner Arbeit kleinere Artikel publiziert, aber mich von der reinen Forschung verabschiedet. Denn Forschung ist eine Säule, die Patientenversorgung eine weitere und das Privatleben/Familie die dritte. Alle drei unter einen Hut zu bekommen, erschien mir relativ kompliziert.

Dr. Moritz Paar: „In der Allgemeinmedizin muss man in allen Bereichen etwas auf dem Kasten haben“

Was schätzen Sie besonders an der Allgemeinmedizin?
In meinen Augen ist die Allgemeinmedizin die Königsdisziplin. Keine andere Disziplin ist so breit aufgestellt und hat ein so unselektiertes Patientenklientel. Insbesondere auf dem Land kommen die Patienten mit allen Anlässen erst einmal zur Hausärzt*in. Man muss im Prinzip mit wenig Mitteln schnell erkennen können, ob abwendbar gefährliche Verläufe vorliegen.  

Der persönliche Kontakt zu den Patienten - auch über längere Zeit – gefällt mir gut. Man baut langfristige Beziehungen auf und genießt eine deutlich höhere Wertschätzung als im Krankenhaus.

Warum hat die Allgemeinmedizin trotzdem noch mit vielen Vorurteilen zu kämpfen? Ich glaube die Gründe sind vielschichtig. Zum einen muss man ganz ehrlich sagen, dass die Politik es über Jahrzehnte versäumt hat, einen Rahmen abzustecken, in dem wirklich gute medizinische Arbeit im hausärztlichen Sektor auch als solche honoriert wird. Es ist in einer Praxis mit überwiegend gesetzlich Versicherten kaum möglich, vernünftige Medizin zu machen, weil die Vergütung mit einem sehr niedrigen Regel-Leistungsvolumen schlichtweg zu schlecht ist.

Dr. Moritz Paar: „Durch die HZV wird die Rolle der Hausärzt*innen gestärkt“

Das ist glücklicherweise durch die Hausarztzentrierte Versorgung (HZV) etwas besser geworden. Durch die HZV wird die Rolle der Hausärztinnen gestärkt. Durch die höhere Grundpauschale hat man mehr Möglichkeiten, verschiedene Leistungen und Diagnostik anzubieten.

Für die Rolle der Allgemeinmedizin ist es unerlässlich, diese gut zu honorieren. Denn die Hausärzt*innen sind ein Grundpfeiler der medizinischen Versorgung. Es sind die Hausärzt*innen, die während der Corona-Pandemie einen Großteil der Bevölkerung impfen, Tests durchführen und sich darum kümmern, dass die chronisch kranken Patienten versorgt werden.

Dr. Moritz Paar: „Die Allgemeinmedizin kommt im Studium etwas zu kurz“

Weiterhin kommt meiner Meinung nach die Allgemeinmedizin im Studium noch ein bisschen zu kurz. Viele Student*innen haben noch das Bild des ,alten Hausarztes`, des Einzelkämpfers im Kopf, der alleine 70 Stunden pro Woche in der Praxis sitzt. Dass es heute ganz andere Arbeitsmodelle gibt, man viel vernetzter ist, ist wichtig zu vermitteln.

Was kann man in dieser Hinsicht tun, um den Nachwuchs vermehrt für die Allgemeinmedizin zu begeistern?
Man muss die Vorzüge des Berufs mehr in den Mittelpunkt rücken, die Medizinstudierenden besser informieren und ihnen Lust auf die Arbeit als Hausärzt*in machen. Die Nachwuchsinitiative Allgemeinmedizin ist dafür ein gutes Instrument in der Weiterbildung. Bereits den Studierenden sollte vermittelt werden, dass es in der Allgemeinmedizin nie langweilig wird, die Freiheit in der Gestaltung der eigenen Aus- und Weiterbildung groß und die Arbeitsmodelle sehr attraktiv und vielfältig sind.

Dr. Moritz Paar: „Ein Pflicht-Tertial oder ein Pflicht-Quartal Allgemeinmedizin schadet sicher niemandem und schult das Denken über den Tellerrand hinaus, was für jede Hausärzt*in, aber auch für jede andere Ärzt*in wichtig ist.“

Es ist sinnvoll die Rolle der Allgemeinmedizin in den Famulaturen und im Praktischen Jahr (PJ) zu stärken.  Ein Pflicht-Tertial oder ein Pflicht-Quartal Allgemeinmedizin schadet sicher niemandem und schult das Denken über den Tellerrand hinaus, was für jede/n Hausärzt*in, aber auch für jede/n andere Ärzt*in wichtig ist.

Warum ist es für Sie wichtig, sich auch im Hausärzteverband Westfalen-Lippe, unter anderem im Rahmen der Nachwuchsinitiative, zu engagieren? 
Der Hausärzteverband Westfalen-Lippe ist sehr wichtig, um die Interessen der Hausärzt*innen zu vertreten und die Nachwuchsförderung voranzutreiben. Der Verband kümmert sich um die Stärkung der hausärztlichen Rolle, arbeitet an der Verbesserung der Arbeitsbedingungen und hilft Ärzt*innen dabei, Kontakte zu knüpfen.

Bei der Nachwuchsinitiative Allgemeinmedizin engagiere mich sehr gerne, weil es für die jungen Kolleg*innen sehr wichtig ist, aus den Fehlern der älteren Kolleg*innen zu lernen umderen Fehler nicht zu wiederholen. Insbesondere im Werkzeugkasten Niederlassung vertreten wir den Standpunkt, dass jeder Fehler, der einmal gemacht wurde, wertvolle Erfahrungen bringt für nachfolgende Generationen.

Dr. Moritz Paar: „Transparenz schafft Vertrauen“

Wir verfolgen dort auch die Devise, dass anstatt Copyright lieber Copyleft gelten sollte, sprich Erfahrungen ehrlich weiterzugeben, zu helfen, Ängste bei jüngeren Kolleg*innen abzubauen und Lust zu machen auf den Beruf. Denn Transparenz schafft Vertrauen.

Sie sind auch im Kompetenzzentrum Weiterbildung Allgemeinmedizin aktiv. Warum halten Sie dies für wichtig?
Allen, die mit der Allgemeinmedizin liebäugeln und sich in der Weiterbildung befinden,  kann ich nur wärmstens empfehlen, Veranstaltungen des Kompetenzzentrums der jeweiligen KV-Region zu besuchen, weil dort viele alltagspraktische Dinge vermittelt werden. Zudem erlangt man Wissen, das für die Facharzt-Prüfung nützlich ist und es gibt ein tolles Mentoring-Programm. Auch Niederlassungs-Themen werden behandelt.

Bei vielen Nachwuchsmedizinern ist die Angst vor dem Beruf in diesem Punkt sicher am größten, weil ihnen das unternehmerische Denken nicht so liegt.
Es wird schlichtweg im Studium nicht vermittelt und in der Weiterbildung im Krankenhaus auch nicht.  

Das Betriebswirtschaftliche ist etwas, das ich in meiner Weiterbildung durch meinen Weiterbilder und durch die Module des Werkzeugkastens Niederlassung gelernt habe.

Dr. Moritz Paar: „Zum Thema Betriebswirtschaft wird im Studium fast gar nichts vermittelt.“

Sollte man Ihrer Meinung nach die betriebswirtschaftliche Komponente dann auch ins Medizin-Studium integrieren?
Das Problem aus meiner Sicht ist, dass es im Studium einige  Lücken gibt – sei es rund um das Thema Promotion oder auch die Möglichkeiten des wissenschaftlichen Arbeitens. Zum Thema Betriebswirtschaft wird im Studium fast gar nichts vermittelt.  Die Allgemeinmedizin dürfte durchaus mehr zeitlichen Raum in den curricularen Gesamtplanungen des Medizinstudiums bekommen, dann bestünden mehr Möglichkeiten betriebswirtschaftliche Grundlagen zu vermitteln.

Wie sieht für Sie die Zukunft der Allgemeinmedizin aus?
Ein Fünftel aller Hausärzt*innen ist derzeit älter als 55 Jahre. Wir spüren den Hausärztemangel in ländlichen Regionen teilweise schon jetzt und das wird zunehmen. Gleichzeitig wird die Versorgung der Patienten im Krankenhaus schlechter. Patient*innen haben kürzere Liegedauern und werden in Zuständen entlassen, die es wohl vor zehn Jahren noch nicht gegeben hätte.

Das bedeutet, dass die Hausärzt*innen in diesem System zunehmend wichtiger werden, weil wir das auffangen müssen. Wir behandeln mit immer weniger Hausärzten eine immer größere Anzahl an Patient*innen. Die Facharzt-Termine sind rar gesät. In ländlichen Regionen warten die Patient*innen teilweise Monate auf einen Facharzt-Termin. Auch das müssen die Hausärzt*innen auffangen. Da ist die Politik gefordert.

In einigen Bundesländern wurde die Landarzt-Quote eingeführt. Ich glaube, dass so eine Verpflichtung am Anfang des Studiums auch Schwierigkeiten bergen kann. Die angehenden Medizinstudierenden wissen ja noch gar nicht, was das bedeutet.

Dr. Moritz Paar: „Man muss die Rolle der Hausärzt*innen weiter stärken“

Aus meiner Sicht müsste es viel mehr positive Anreize geben, die Rolle der Allgemeinmedizin und der Hausärzt*innen weiter stärken und sich für eine bessere Vergütung einzusetzen, so wie es der Hausärzteverband macht. Die betriebswirtschaftlichen Risiken sollten minimiert werden, damit sich mehr Menschen zutrauen, in die Selbstständigkeit zu gehen. Ansonsten sehe ich die Gefahr, dass wir in Zukunft enorme Probleme in der ambulanten Versorgung bekommen.  

Dr. Moritz Paar 

  • Facharzt für Allgemeinmedizin
  • seit 2019 in Ahaus als Hausarzt tätig
  • wissenschaftlicher Mitarbeiter im Centrum für Allgemeinmedizin der Medizinischen Fakultät der WWU- Münster und Mitglied des Seminarteams des Kompetenzzentrum Weiterbildung Allgemeinmedizin in Westfalen-Lippe (KWWL, kw-wl.de)
  • Weiterbildung Manuelle Medizin und Chirotherapie
  • Referent „Werkzeugkasten Niederlassung“ und engagiert in der „Nachwuchsinitiative Allgemeinmedizin“ des Hausärzteverbandes Westfalen-Lippe
  • Für seine Doktorarbeit erhielt er 2016 den Promotionspreis der Medizinischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU) 

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Andreas Möllerarnd: Über Ungarn in die Familienpraxis

  • Einleitungstext:

    „Hausarzt sein ist nach wie vor mein Traumberuf“, sagt der 35-jährige Andreas Möllerarnd (Bild). Für den Allgemeinmediziner aus Rheine stand früh fest, dass er Mediziner werden will: „Als Kind wollte ich Arzt und Jäger werden – wie mein Vater.“ Jäger ist er nicht geworden, mittlerweile aber Hausarzt in Rheine.

Andreas Möllerarnd Über Ungarn in die Familienpraxis“

„Hausarzt sein ist nach wie vor mein Traumberuf“, sagt der 35-jährige Andreas Möllerarnd (Bild). Für den Allgemeinmediziner aus Rheine stand früh fest, dass er Mediziner werden will: „Als Kind wollte ich Arzt und Jäger werden – wie mein Vater.“ Jäger ist er nicht geworden, mittlerweile aber Hausarzt in Rheine.

Die Möllerarnds sind eine richtige Mediziner-Familie. Mutter und Vater Möllerarnd sind seit 1997 erfahrene Hausärzte mit einer eigenen Praxis, in die Andreas Möllerarnd im November 2017 eingestiegen ist. Seine drei Brüder haben sich ebenfalls der Medizin verschrieben: „Meine beiden älteren Brüder sind Fachärzte für Anästhesie. Mein jüngerer Bruder ist gerade mit dem Studium fertig, hat sich aber noch nicht auf eine Fachrichtung festgelegt. Ich habe aber berechtigte Hoffnung, dass er auch Allgemeinmediziner wird.“

Was gefällt Ihnen denn so gut an der Allgemeinmedizin?
Andreas Möllerarnd: „An der Allgemeinmedizin mag ich besonders, dass ich den gesamten Patienten mit all seinen Beschwerden und all seinen Krankengeschichten ein Leben lang betreue.“

Durch die Praxis seiner Eltern hat Andreas Möllerarnd frühzeitig mitbekommen, wie ein allgemeinmedizinischer Betrieb abläuft. Zudem war es ihm wichtig, den Menschen als Ganzes zu behandeln: „„Man behandelt nicht nur ein oder zwei Organe. Der gesamte Körper und auch die Psyche sind im Alltag von Bedeutung. Bei der Allgemeinmedizin konnte ich mir von Anfang an vorstellen, das bis zum Rentenalter und darüber hinaus zu machen.“

Medizinstudium in Szeged/Ungarn

Die Eltern haben ihren Sohn frühzeitig mit ihrer Leidenschaft für die Allgemeinmedizin angesteckt. Doch beinahe hätte ihn der Numerus Clausus auf dem Weg zum Allgemeinmediziner ausgebremst. „Als klar war, dass ich Medizin studieren will, habe ich viel für mein Abitur getan, den nötigen Einser-Schnitt aber knapp verfehlt. Anstatt sechs Jahre lang auf einen Studienplatz in Deutschland zu warten, ging Andreas Möllerarnd wie viele andere Deutsche nach Szeged in Ungarn, um dort Medizin zu studieren.

In Ungarn gibt es statt des NC einen Eignungstest sowie Studiengebühren. Zudem sollten Bewerber unbedingt praktische Erfahrungen in der Pflege ,als Krankenschwester beziehungsweise -pfleger oder im Rettungsdienst vorweisen, um bessere Chancen zu haben, genommen zu werden. „Ich hatte zum Glück vorher einige Praktika im Krankenhaus gemacht.“

Wie würden Sie rückblickend Ihre Zeit in Ungarn bewerten? Nicht jeder kann sich die hohen Studiengebühren leisten.
Andreas Möllerarnd: „Das war schon sehr viel Geld für zwei Jahre. Aber in Deutschland hätte ich sechs Jahre auf mein Medizinstudium gewartet. Das hat sich für mich gerechnet. Ich bin mir aber dessen bewusst, dass sich nicht jeder das leisten kann, und daher auch für die Unterstützung meiner Eltern sehr dankbar.

Generell braucht Deutschland mehr Studienplätze. Zu viele Abiturienten würden gerne mit dem Medizinstudium beginnen, bekommen aber keinen Studienplatz. Wir brauchen mehr Studienplätze für mehr neue Ärzte. Es gibt viele deutsche Medizinstudierende im Ausland, die kommen größtenteils auch wieder nach Deutschland zurück. Aber ich denke der Umweg über das Ausland kann auf Dauer nicht die Lösung sein."

Nach zwei Jahren in Ungarn entschied sich Andreas Möllerarnd dafür, nach Berlin, genauer in die Charité, zu gehen. „Als junger Student wollte ich gerne Großstadtluft schnuppern. Die Charité ist ist eine der größten Kliniken Deutschlands. Fachlich konnte ich dort viel lernen, aber auf Dauer wäre ich in so einem großen Krankenhaus nicht glücklich geworden.“ Nach Berlin ging es für ihn für drei Jahre ans Klinikum Oldenburg, bevor er 2017 in der Praxis seiner Eltern in Rheine einstieg.

„Es macht richtig Spaß, mit meinen Eltern als Kollegen zu arbeiten.“

Es ist ja häufig so, dass Kinder in die Fußstapfen ihrer Eltern treten. Wenn man in die Praxis der Eltern einsteigt, muss man sich auch gut verstehen.
Andreas Möllerarnd:
„Man sieht sich in einer Praxis im laufenden Betrieb weniger als ich dachte, weil jeder sein eigenes Sprechzimmer hat. Man hat die Möglichkeit, einen Patienten mal zu zweit anzuschauen und sich gemeinsam Gedanken zu machen. Das ist insbesondere bei schwierigen, kniffligen Fällen hilfreich und das schätze ich sehr. "

"Ich hätte ungern in einer Praxis als „Einzelkämpfer“ gearbeitet"

"Zum Glück ist dies bei uns anders. Wir sind als Team mit insgesamt fünf Ärzten gut aufgestellt. Es macht richtig Spaß mit meinen Eltern, den beiden anderen Kolleginnen sowie mit dem gesamten wunderbaren Praxisteam zu arbeiten. Gemeinsam kann man dann auch größere Hürden wie zum Beispiel die organisatorisch aufwändigen Coronaimpfungen meistern.“

Ihr Weg war ja quasi vorgezeichnet. Wie hätten Ihre Eltern reagiert, wenn Sie einen ganz anderen Weg eingeschlagen hätten?
Andreas Möllerarnd:
„Für meine Eltern wäre auch jeder andere Berufswunsch okay gewesen. Als ich als Dritter gesagt habe, dass ich auch Mediziner werden möchte, haben Sie mir zu weiteren Praktika geraten und mich gefragt, ob ich nicht etwas Anderes machen will. Sie haben mir alle Optionen aufgezeigt, von Praktika über Berufsmessen und ich habe sie dann überzeugt, dass ich auf jeden Fall Mediziner werden will. Auch nach sechs Jahren im Beruf bereue ich die Entscheidung bisher nicht.“

„Ich habe einen Weg gefunden, dass ich eine geregelte Work-Life-Balance habe.“

Andreas Möllerarnd hatte gegenüber vielen anderen Kollegen den Vorteil, dass er in eine Praxis einsteigen konnte, die seit mehr als 20 Jahren gut läuft. „Ich weiß nicht, ob ich mich getraut hätte, mich selbst niederzulassen. Da sind in meinen Augen viele bürokratische Hürden.“ Die Abrechnung allein nimmt einen großen Teil der Zeit ein. „Ich würde viel lieber mehr am Patienten arbeiten, muss aber jetzt zusehen, wann ich den Rest erledige, entweder vor oder nach den Sprechstunden.“ Trotz dieser Hürden genießt es Andreas Möllerarnd, dass er in der Praxis sein eigener Herr ist und selbst bestimmen kann, wann er arbeitet oder sich auch einmal freinimmt. „Ich habe einen Weg gefunden, dass ich eine geregelte Work-Life-Balance habe“, sagt der Vater von zwei kleinen Söhnen.

Jungen Kollegen würde er raten, in einer allgemeinmedizinischen Praxis zu hospitieren, um hinter die Kulissen schauen und zu gucken, ob die Allgemeinmedizin etwas für einen ist. „Ich glaube, dass dann Viele positiv überrascht sein werden.“

Was sollte man mitbringen, um ein guter Hausarzt zu sein?
Andreas Möllerarnd:
„Als Hausarzt sollte man sich auf jeden einzelnen Patienten einlassen können, zuhören und wenns nötig ist, sich gegebenfalls auch sprachlich anpassen können und viel Verständnis auch für kleinere Beschwerden mitbringen.“

„Man freut sich bei jedem positiven Ereignis der Patienten mit.“

Was war bisher Ihr schönstes Erlebnis in Ihrer Zeit als Allgemeinmediziner?
Andreas Möllerarnd:
„Ich schätze es sehr, dass man regelmäßig ein schönes Feedback von den Patienten bekommt.

Man freut sich bei jedem positiven Ereignis der Patienten mit. Ich hatte beispielsweise ein Pärchen in meiner Praxis, das viele Jahre versucht hat, Nachwuchs zu bekommen und irgendwann haben sich die beiden gemeldet, dass die Frau schwanger ist.“

Andreas Möllerarnd ist Hausarzt aus Leidenschaft. Die Begeisterung für die Medizin hat er von seinen Eltern geerbt. Mittlerweile ist die ganze Familie „infiziert“. „Bei uns dreht sich schon vieles um die Medizin“, sagt Andreas Möllerarnd und schmunzelt. „Das ist sicher auch einer der Gründe, warum alle vier Jungs im Hause Möllerarnd in die Medizin gegangen sind.“

Andreas Möllerarnd

  • Als Hausarzt in Rheine tätig
  • Verheirateter Vater zweier Söhne
  • ist im November 2017 in die Praxis seiner Eltern miteingestiegen und seit 2020 Facharzt für Allgemeinmedizin mit Weiterbildungsermächtigung
  • die Praxis in Rheine ist auch Weiterbildungspraxis, aktuell ist die vierte Weiterbildungsassistentin beschäftigt
  • Medizinstudium von 2006 bis 2008 in Szeged/Ungarn
  • Nach dem Physikum ging es für Andreas Möllerarnd an die Charité in Berlin
  • Von 2014 bis Herbst 2017 war er in der Inneren im Klinikum Oldenburg tätig 

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Caren Schweiger: "Auf dem Land bekommen wir viel Wertschätzung"

  • Einleitungstext:

    Caren Schweiger erlebt derzeit ihre aufregendste Zeit als Hausärztin: Zu Jahresbeginn 2022 hat sie die Praxis in Drensteinfurt von ihrem Vater Dr. med. Olaf Salomon übernommen und führt diese nun gemeinsam mit ihrer Mutter Dr. med. Birgit Salomon. Die 32-Jährige ist in Drensteinfurt aufgewachsen und es war immer ihr Wunsch, nach ihrem Medizinstudium in Ungarn zurückzukehren. Warum die Allgemeinmedizin für sie immer die erste Wahl war, hat die Mutter von zwei Söhnen im Interview verraten.

Caren Schweiger "Auf dem Land bekommen wir viel Wertschätzung"

Caren Schweiger erlebt derzeit ihre aufregendste Zeit als Hausärztin: Zu Jahresbeginn 2022 hat sie die Praxis in Drensteinfurt von ihrem Vater Dr. med. Olaf Salomon übernommen und führt diese nun gemeinsam mit ihrer Mutter Dr. med. Birgit Salomon. Die 32-Jährige ist in Drensteinfurt aufgewachsen und es war immer ihr Wunsch, nach ihrem Medizinstudium in Ungarn zurückzukehren. Warum die Allgemeinmedizin für sie immer die erste Wahl war, hat die Mutter von zwei Söhnen im Interview verraten.

Caren Schweiger, Hausärztin aus Drensteinfurt, über…

…die Allgemeinmedizin:
„Alles, was die Medizin zu bieten hat und was ich an ihr mag, ist in einem Fach gebündelt. Zudem gefällt mir die Arbeit mit Menschen, die ich über Jahre und Jahrzehnte begleite.“

…den Traumjob Allgemeinmediziner:
„Ich wollte immer Allgemeinmedizin machen. Das stand nie außer Frage. Ich habe schon im Kindergarten gesagt, dass ich Ärztin werden und später in der Praxis meiner Eltern in Drensteinfurt arbeiten möchte.
Unfallchirurgie hat mir auch Spaß gemacht, war im Nachhinein aber keine echte Alternative für mich. Daher habe ich meine Weiterbildung auf die Allgemeinmedizin ausgelegt und bin dafür an kleinere Krankenhäuser gegangen. Ich wollte möglichst viele verschiedene Einblicke bekommen. Ich habe mich bewusst gegen große Unikliniken oder Maximalversorger entschieden. In den kleinen Häusern sieht man eher Basismedizin, die mir in der Praxis weiterhilft, und ist näher dran am Patienten.“

…das Landarztsein:
„Ich bin grundsätzlich eher ,Landei` als Stadtmensch. Daher war das mit der Landärztin ein automatischer Prozess. Ich mag Drensteinfurt. Es gibt kurze Wege und die Welt ist hier noch in Ordnung.
In so einem kleinen Ort wie Drensteinfurt kennt man die meisten Patienten gut. Ich bin jetzt im fünften Jahr in der Praxis und kenne mehr und mehr die familiären Zusammenhänge. Das ist das Schöne an der Allgemeinmedizin. Auf der anderen Seite ist es natürlich auch schwer, wenn es schlimmere Schicksale gibt.“

…das Medizinstudium in Ungarn:
Ich hatte ein gutes, aber durchschnittliches Abitur und daher keine Chance in Deutschland Medizin studieren zu können. Dann musste ein Plan B her. Ich bin dann ein Jahr nach meinem Abitur nach Ungarn gegangen. Dort gab es viele Studierende, die wie ich aus einer Arztfamilie stammten und nichts anderes als Medizin machen wollten.
In Deutschland hätte ich zu dem Zeitpunkt mindestens zwölf bis 14 Semester auf eine Zulassung zum Medizinstudium warten müssen – ohne Garantie, dass ich dann reinkomme. Durch mein Physikum in Ungarn konnte ich also sieben Jahre eher in den Arztberuf starten. Dadurch haben sich die dortigen Studiengebühren wieder amortisiert.“

…das Aufwachsen in der Medizinerfamilie:
„Mein Weg in die Medizin war durch meine Eltern vorgezeichnet. Ich habe natürlich auch mitbekommen, wie viel Arbeit das ist. Und meine Eltern meinten, sie freuen sich, wenn ich diesen Schritt gehe, ich solle mir das aber gut überlegen. Ich hätte mir aber nie etwas anderes vorstellen können. Meine ältere Schwester ist zwar keine Ärztin geworden, arbeitet aber auch im Gesundheitswesen.“

…die Niederlassung und die Praxisübernahme:
„Ich hätte auch alleine eine Praxis gegründet. Ich wollte ja immer Hausärztin werden. Das wäre sicher schwieriger geworden und mit noch mehr Nervenkitzel als ohnehin schon.
Ich bin froh, dass ich die Praxis erst einmal mit meiner Mutter gemeinsam führen kann. Wir haben die geteilte Verantwortung und ich kann langsam reinwachsen.
Wir sind ein großes Team mit fünf ärztlichen Kollegen, die sich gut ergänzen. Da kann man immer Fragen stellen und einander weiterhelfen. Auch mein Vater, der jetzt im Ruhestand ist, ist bei medizinischen Fragen immer noch eine Riesenhilfe.“

…den Numerus Clausus als Zulassungsvoraussetzung für das Medizinstudium:
„Ein gutes Abitur definiert keinen guten Arzt. Durch den hohen Numerus Clausus nimmt man so vielen jungen Leuten, die so große Lust auf diesen Job haben und so gut geeignet wären, die Chance, Arzt zu werden.“

…die Work-Life-Balance:
„Das Bild vom Hausarzt hat sich gewandelt. Eine ausgewogene Work-Life-Balance ist für die jetzige Generation sehr wichtig.
Ich habe mich bisher nie überarbeitet und ich habe auch nicht das Gefühl, dass ich das jetzt tue. Die aktuelle Praxisübernahme ist natürlich eine außergewöhnliche Phase. Derzeit muss ich schon gucken, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen. Aber das wird sich einspielen. Zudem sind wir in der Praxis gut aufgestellt. Daher sehe ich schon zu, dass ich nach den Sprechstunden und am Wochenende die Zeit mit meiner Familie verbringe. Mein Mann ist derzeit in Elternzeit und unterstützt mich da sehr.“

…die Rolle als Hausärztin und Mutter:
„Meine Patienten stellen mir oft die Frage, wie meine Kinder betreut werden. Dann bekomme ich manchmal ein schlechtes Gewissen. Männern wird diese Frage nicht gestellt. Ich finde es schade, dass es diese alten Rollenbilder immer noch gibt. Der Spagat zwischen Beruf und Familie ist eine Herausforderung, aber kein Ding der Unmöglichkeit.
Ich habe keine Nacht- und Wochenend-Dienste, was auch für die Allgemeinmedizin spricht. Falls ich irgendwann das Gefühl hätte, dass ich meine Kinder vernachlässige, müsste ich kürzertreten. Ich habe eine Verantwortung für meine Familie, aber auch für die Praxis und meine Patienten. Alle sollen zufrieden sein.“ 

…schöne Erlebnisse als Hausärztin:
„Es gibt so viele schöne Erlebnisse in der Praxis. Hier auf dem Land bekommen wir viel Wertschätzung entgegengebracht – in Form von Worten, Karten, Süßigkeiten, selbst gebackenem Kuchen oder kleinen Präsenten. Ein Patient hat einen Kerzenleuchter für uns geschreinert. Eine andere Patientin hat mir einen Stein vom Rostocker Strand mitgebracht, weil sie wusste, dass ich dort studiert habe. Das ist eine tolle Wertschätzung und macht Spaß.“

...wie man Medizinstudierende für die Allgemeinmedizin begeistern kann:
„Die Entscheidung für einen Fachbereich wird im Studium und in den Arztpraxen gefällt. Warum entscheidet man sich für einen bestimmten Fachbereich? Weil man coole Famulaturen hatte oder mitreißende Dozenten! Dort sollte man ansetzen. Mein Allgemeinmedizin-Prof in Rostock war die Krönung! Spätestens der hätte mich überzeugt. Oder die Aussicht auf einen schönen Beruf!“

 

 

Interview: Simone Zettier
Bilder: privat

 

Caren Schweiger

  • seit dem 02.01.2022 in einer Gemeinschaftspraxis zusammen mit ihrer Mutter Dr. Birgit Salomon niedergelassen
  • seit Oktober 2021 Fachärztin für Allgemeinmedizin
  • 2018 – 2021 Weiterbildungsassistentin in der allgemeinmedizinischen Praxis von Dres. med. Olaf und Birgit Salomon in Drensteinfurt
  • 2017 bis 2018 Weiterbildungsassistentin in der Abteilung für Innere Medizin mit angebundener Schlaganfallstation unter Dr. A. Stegmeier im Stadtkrankenhaus Schwabach
  • 2016 – 2017 Weiterbildungsassistentin in der Abteilung für Unfallchirurgie und Orthopädie von Dr. Helmut Bülhoff in der Barbara Klinik Hamm
  • 2011 - 2015 Studium der Humanmedizin an der Universität Rostock
  • 2009 – 2011 Studium der Humanmedizin an der Universität Szeged in Ungarn
  • Verheiratete Mutter von zwei Söhnen

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